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40 x 40 cm

Tanzschritte und scharfe Schnitte
Judith Annaheim
Leicht, fröhlich und verspielt kommt die Kunst Marlis Spielmanns daher, doch der zweite Blick offenbart ein tieferes Anliegen. Insbesondere die Scherenschnitt-Arbeiten mit ihrem ornamentalen Charakter wirken in der Spannung zwischen vordergründiger Ästhetik und komplexen Inhalten doppelbödig. Durch die axiasymmetrische Faltung entstehen kreisförmige Anordnungen, sodass die Figuren einen Reigen bilden. In dieser harmonischen Konstellation können, vorerst unverdächtig, Probleme oder Fragestellungen von gesellschaftlicher Relevanz verhandelt werden.

Das Handwerk des Scherenschnitts lernte Marlis Spielmann zwar bei professionellen Scherenschnittkünstlerinnen. Die dieser Technik so sehr anhaftende Perfektion interessierte sie jedoch nicht; ebenso wenig die traditionsbehafteten Sujets wie Bauern, Kühe, Bäume oder Blumen.

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100 x 130 – 190 x 220 cm

Die Künstlerin bearbeitet mit Schere und Papier ihr eigenes Repertoire an Themen. Dafür verwendet sie nicht nur eigenwillige Formate, sondern verpasst dem Papier zusätzlich eine farbige Bemalung – undenkbar in der herkömmlichen Scherenschnittkultur.

Die volkstümliche Ausstrahlung des Scherenschnitts nutzt Marlis Spielmann unter anderem für eine Auseinandersetzung mit dem Thema der erotischen Freiheit von Frauen, wobei die kreisförmige Vervielfältigung der Figur den kollektiven Charakter betont. Die Farbflächen haben dabei die doppelte Funktion, einerseits lockere Rhythmen und Muster zu schaffen und andererseits die «blinden» Formen des Papiers mit Ausdruck zu füllen: verhüllte und sich enthüllende Frauenfiguren, entfesselte und solche in Fesseln, Frauen in Schleiern, die hier für verborgene Sehnsüchte stehen, vermitteln ihre Botschaft. Der geometrischen, regelmässigen Struktur steht das chaotische Ausbrechen aus Einschränkungen gegenüber.