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Plädoyer für Fragilität
Lucia Angela Cavegn
Hinter dem spielerischen Umgang mit Techniken, Materialien und inhaltlichem Stoff steckt viel Nachdenklichkeit. Mit ihrem künstlerischen Schaffen hinterfragt Spielmann gesellschaftliche Massstäbe. In der Wirtschaft zählen Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Zielstrebigkeit und Ausdauer, die allgemein eher Männern denn Frauen zugeschrieben werden. Nachgiebigkeit, Verträumtheit und Unbestimmtheit sind weder im Militär noch im Unternehmertum gefragt. Weichheit bzw. Verletzlichkeit werden als Anzeichen von Schwäche und als weibliche Züge angesehen. Und eine Frau wird oft nach Mann und Kindern befragt, was unterschwellig zum Ausdruck bringt, dass sie noch heute zuerst nach ihrer biologischen Funktion beurteilt wird. Spielmann thematisiert weibliches Dasein vom Mädchen bis zur reifen Frau nicht aus der Sicht der Gesellschaft, sondern von innen her, aus eigener Erfahrung. Ihre Werke handeln auch von der Beziehung zu sich selbst, zu Freundinnen und zu lieb gewonnenen Ritualen. Der Mann taucht in ihrer Bildwelt nur selten auf.

Auf unterschiedlichen Stofflichkeiten hält die Künstlerin Alltagseindrücke fest, die sie berühren und zum Nachdenken anregen. Diese können von Begebenheiten aus der Umgebung herrühren oder über Schlagzeilen und Bilder aus den Medien auf sie hereinprasseln. Andere Bilder entstammen ihrer eigenen emotionalen Welt, sind Erinnerungen und Phantasien. Bei allem Schalk und Witz dringt Melancholie durch, die Erinnerung an die unwiderruflich vergangene und verloren gegangene Kindheit und das Bewusstsein, dass die innere, aus der Jugendzeit herübergerettete Empfindsamkeit durch Einflüsse und Erwartungen von aussen bedrängt wird. Ihre Figuren wirken dementsprechend zart, zerbrechlich und unschuldig. Spielmann zeigt sie gedankenverloren, in sich selbst versunken. Sie wirken traumtänzerisch, in unschuldiger Absichtslosigkeit dargestellt. Sie bewegen sich in ihrem eigenen kleinen Universum. Dieses von der hektischen und anforderungsreichen Aussenwelt abgekoppelte Dasein ist eminent wichtig für die Ausbildung einer persönlichen Identität. Glückliche Momente sind fragile Momente. Umso wichtiger ist es, dass wir Rückzugsorte haben, wo wir Gedankenfäden weiterspinnen oder auf einem weichen Kissen ruhen lassen können. Marlis Spielmann verteidigt mit weiblichem Gerät – mit Nähzeug, Küchenmesser, Putzschwämmen, Teller und Kissen – ihre eigenen Gedankengänge und Fantasien. Handarbeit wie Nähen, Sticken und Scherenschnitt erfordert Geduld und Konzentration. Die Langsamkeit dieser Tätigkeiten besitzt kontemplative Wirkung: Sie lässt den Geist zur Ruhe kommen und bringt den Menschen in Kontakt mit sich selbst.